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Martin Suter

 

„Montecristo“

 

- Gelesen von Wanja Mues -

 

Es ist purer Zufall, dass der freischaffende Videojournalist Jonas Brand Zeuge eines gewaltsamen Todes wird. Als sein mit Pendlern vollbesetzter Intercity nach Basel in einem Tunnel abrupt zum Stehen kommt, wird schnell klar, dass ein sogenannter Personenschaden die Weiterfahrt  blockiert. Aus professioneller Routine schultert Jonas Brand seine Kamera, filmt die Szenerie und befragt die Mitreisenden. Bilder von dem Bündel Mensch im Tunnel dreht er bewusst nicht. Die Sensationsgier seiner Kollegen ist ihm fremd, denn er fühlt sich zu Höherem berufen. Er träumt von einer Karriere als Regisseur und sucht seit Jahren vergeblich nach Geldgebern, um sein Filmprojekt „Montecristo“ verwirklichen zu können. Es soll eine moderne Adaption des bekannten Dumas Klassikers „Der Graf von Monte Christo“ werden. Jonas Brand hat den beklemmenden Zwischenfall im Zug bereits vergessen, als ihm drei Monate später der Zufall zwei Hundertfrankenscheine mit identischen Seriennummern in die Hände spielt. Beide Scheine sind echt. Da dies offiziell aber unmöglich ist,  lösen Brands Recherchen über die Hintergründe eine wahre Lawine aus.

 

„Montecristo“ ist  wieder einmal Suter vom Feinsten. In diesem Krimi um Macht und Einfluss der Finanzwirtschaft erweist sich Martin Suter einmal mehr als Meister der Spannung. Mit großer Finesse und sprachlicher Eleganz gelingt es ihm, den Plot auf die Spitze zu treiben und nebenbei das Beziehungsgeflecht eines Systems offenzulegen, das allein auf den Erhalt von Reichtum und Macht ausgerichtet ist. Kenntnisreich beschreibt Suter die eiskalte Professionalität der Entscheider in den Chefetagen der Hochfinanz, die Abhängigkeit der Politik und die Ohnmacht der Staatsgewalt  gegenüber der Allmacht der Finanzströme; und er beschreibt die Auswirkungen auf ganz normale Menschen. Beruflich und privat auf ihren Vorteil bedacht, merken sie oft nicht, wie sie korrumpiert werden.  Eben wie die Hauptfigur Jonas Brand, der sein Dasein als Videojournalist satt hat und schon seit langem davon träumt, sein Filmprojekt “Montecristo“ verwirklichen zu können. Naiv und unschuldig gerät er mitten hinein in dieses Spiel um Geld und Macht, dessen Regeln er nicht kennt und das ihn beinahe das Leben kostet. Denn in einem Geflecht, in dem alle mit allen verstrickt und auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen sind,  wird Wirtschaftskriminalität zur Staatsräson, und dann erscheinen selbst Morde absolut notwendig, um das System zu schützen. Es sind sozusagen Kollateralschäden, die angesichts des großen Ganzen nicht weiter ins Gewicht fallen. Und auch das Ende dieses Wirtschaftskrimis , das zunächst viel zu zahm erscheint, ist unter diesen Voraussetzungen die einzig logische Konsequenz -  eben Business as usual, um die große Seifenblase der Illusion, in der wir uns laut Suter alle bewegen, nicht zum Platzen zu bringen.  

 

Im Gegensatz zu den Suter Interpretationen von Gert Heidenreich erscheint  die Stimme von Wanja Mues sperrig und rauh und es bedarf einiger Gewöhnung , ihm durch die  Geschichte zu folgen. Seine Erzählhaltung ist die eines kühlen Chronisten- eines Unbeteiligten, der in bester journalistischer Manier Fakten und Ereignisse schildert. Diese Distanziertheit lässt die Vorgänge in dem Roman noch perfider erscheinen. Sie passt einfach.

 

 

Die ungekürzte Lesung ist bei Diogenes erschienen:

6 CDs

Laufzeit: 451 Min.

Preis: € 24,90

 

Das Buch in Hardcover-Leinen ist ebenfalls bei
Diogenes erschienen.

320 Seiten

Preis: € 23,90

 

 

Eine Rezension von Liliane Mika

www.mika-media.net